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Arbeiten im Nachbarland – was für Grenzgänger steuerlich gilt

In Deutschland wohnen, aber im Nachbarland arbeiten – das kann eine lohnende Alternative sein. Steuerlich gelten für die sogenannten Grenzgänger besondere Regeln.

Gerhard wohnt in Kleve, einer Kleinstadt nahe der niederländischen Grenze. Seit nunmehr zwei Jahren pendelt er regelmäßig ins Nachbarland zur Arbeit, und zwar in die 30 Kilometer entfernt liegende holländische Stadt Nimwegen. Damit ist Gerhard einer von etwa 282.000 Pendlern, die in Deutschland wohnen und einen Job im europäischen Ausland haben. 2002 waren es gerade einmal 86.400.

Wer wie Gerhard in Deutschland wohnt und im Ausland arbeitet, wird entweder als Grenzpendler/in oder als Grenzgänger/in bezeichnet. Gibt es mit dem Land, in dem man arbeitet, eine Grenzgängerregelung, ist man ein Grenzgänger/in. Liegt keine solche Regelung vor, ist man  Grenzpendler/in. Dazu später mehr.

Laut EU-Definition sind Grenzgängerinnen und Grenzgänger übrigens Arbeitnehmende, die im Gebiet eines Mitgliedstaats beschäftigt sind und im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen. Zudem kehren sie in der Regel täglich zu ihrem Wohnsitz zurück, mindestens aber einmal wöchentlich.

Leider gibt es auf der Gemeinschaftsebene keine Rechtsvorschriften, in denen der Begriff Grenzgänger/in unter steuerlichen Gesichtspunkten definiert ist. Das regeln die benachbarten Staaten untereinander. Im Folgenden wird daher die allgemeine EU-Definition für Grenzgänger/innen verwendet.

In welchem Land ist für Grenzgänger/innen die Lohnsteuer fällig?

Neben einer fehlenden Begriffsdefinition gibt es auch kein einheitliches europäisches Gesetz, das regelt, wie das Einkommen von Arbeitnehmenden zu versteuern ist, die zwischen zwei Ländern pendeln. Grundlage für die Besteuerung sind vielmehr einzelne Abkommen zwischen den Staaten. Diese Verträge werden auch als Doppelbesteuerungsabkommen bezeichnet und in diesen wird der Begriff Grenzgänger/in jeweils individuell definiert. Ziel der Abkommen ist es, zu vermeiden, dass Beschäftigte zweimal Steuern zahlen müssen.

In der Regel gilt: Arbeitnehmende, die in einem Staat wohnen und im Nachbarstaat arbeiten, müssen in dem Land Steuern zahlen, in dem sie arbeiten, also im sogenannten Tätigkeitsstaat.

Zurück zu unserem Beispiel: Gerhard, unser Grenzpendler in die Niederlande, zahlt seine Einkommensteuer also in den Niederlanden und nicht in Deutschland. Das in den Niederlanden versteuerte Gehalt bleibt für Gerhard in Deutschland steuerfrei. Es unterliegt allerdings dem sogenannten Progressionsvorbehalt. Wenn Gerhard also weitere Einkünfte in Deutschland hat, wird das niederländische Einkommen dazu addiert und treibt den Steuersatz für das übrige steuerpflichtige Einkommen in die Höhe.

Keine Regel ohne Ausnahme

Von der Vorschrift, dass das Gehalt in dem Land besteuert wird, in dem man arbeitet, gibt es jedoch Ausnahmen:

Alle Grenzgänger/innen nach Frankreich und alle Grenzgänger/innen nach Österreich zahlen in Deutschland ihre Steuern. Also nicht im Tätigkeitsstaat, sondern im Wohnsitzstaat. Als Grenzgänger/innen gelten hier allerdings nur Personen, deren Wohnort und Arbeitsort in einer genau definierten Grenzzone liegen.

Für Grenzgänger/innen in die Schweiz, die mit mehr als 64.400 deutschen Pendlern 2023 die größte Gruppe darstellte, ist es nochmal komplizierter: Hier muss der/die Arbeitnehmende in beiden Staaten Steuern zahlen. Eine Grenzzone gibt es dafür nicht.

Hat ein Grenzgänger Anspruch auf Kindergeld?

Steuerlich nicht ganz einfach ist auch die Frage, in welchem Umfang Grenzgänger/innen von Familienleistungen wie dem Kindergeld profitieren können.

Ist es im Doppelbesteuerungsabkommen nicht explizit geregelt, unterliegen im Ausland Arbeitende den Rechtsvorschriften in dem Land, in dem sie arbeiten. Deshalb hatten Grenzgänger/innen in ein anderes EU-Land oder in die Schweiz früher auch keinen Anspruch auf deutsches Kindergeld. Das hat sich aber geändert: Seit Mitte 2013 können Grenzgänger/innen, die in Deutschland wohnen und im Nachbarland berufstätig sind, das sogenannte Differenzkindergeld beantragen.

Warum das Ganze? Nun, die Arbeit hinter der Grenze sollte nicht zu einer Verringerung oder zu einem Verlust von Sozialleistungen führen, so die Begründung. Bei der Berechnung des Differenzkindergeldes wird für jedes einzelne in Deutschland wohnende Kind der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers eine Vergleichsrechnung gemacht. Und zwar wird die Höhe der Leistung, die die Eltern vom Tätigkeitsstaat bezogen haben – in der Schweiz ist es die sogenannte Familienzulage – mit dem deutschen Kindergeldanspruch verglichen. Ist der Kindergeldanspruch in Deutschland höher, erhält man den Differenzbetrag vom Staat ausbezahlt.

Welche Regelungen gelten für Berufskraftfahrer/innen?

Als Lkw-Fahrer/in ist man häufig im Ausland unterwegs. Christoph aus Aachen ist einer von ihnen. Er arbeitet bei einem niederländischen Transport-Unternehmen und verbringt einen Großteil seiner Arbeitszeit in seinem Lkw. Er hat daher keine „ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers“, auch erste Tätigkeitsstätte genannt, und er zählt im steuerrechtlichen Sinne auch nicht zu den Grenzgängern. Das heißt: Obwohl sein Arbeitgeber in den Niederlanden ansässig ist, ist er in Deutschland steuerpflichtig, wenn er seine Arbeit in Deutschland ausübt - also auf deutschen Straßen unterwegs ist. Ändert sich die Auftragslage und seine Touren führen durch die Niederlande, muss Christoph für die Tage, die er dort tätig ist, in den Niederlanden Steuern zahlen.

Hat er auch Fahrten in sogenannte Drittstaaten, zum Beispiel in Frankreich, zu erledigen, fällt das Besteuerungsrecht Deutschland zu, wenn er sich in jedem einzelnen Drittstaat nicht mehr als 183 Tage im Jahr aufgehalten hat.

Übrigens

Klingt kompliziert? Ist das Thema Grenzgänger/in leider auch. Aber unsere Beraterinnen und Berater helfen Ihnen gerne weiter. Finden Sie hier eine VLH-Beratungsstelle in Ihrer Nähe: Beratersuche.

Quellen

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Dies ist ein redaktioneller Text des Redaktionsteams der VLH. Es erfolgt keine Beratung zu Themen, die außerhalb der steuerlichen Beratungsbefugnis eines Lohnsteuerhilfevereins liegen. Eine Beratungsleistung im konkreten Einzelfall kann nur im Rahmen der Begründung einer Mitgliedschaft und ausschließlich innerhalb der Beratungsbefugnis nach § 4 Nr. 11 StBerG erfolgen.

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