Beratersuche starten
Berater suchen

Hochbegabtes Kind: Kosten der Therapie absetzen

Eltern, die ihr hochbegabtes Kind psychologisch behandeln lassen, können die Kosten nicht von der Steuer absetzen. Das hat der BFH entschieden.

Der Fall eines hochbegabten Kindes beschäftigte nicht nur das Finanzgericht Rheinland-Pfalz, sondern auch den Bundesfinanzhof (BFH). Im Streitfall versuchte ein Ehepaar die Kosten für eine psychologische Behandlung ihres hochbegabten Kindes als außergewöhnliche Belastung von der Steuer abzusetzen.

Die Richter/innen des BFH lehnten ab: Eine Hochbegabung „als solche stellt noch keine Krankheit dar“. Somit können die Kosten der Therapie auch nicht in der Steuererklärung eingetragen werden. Darüber hinaus fehlte im Streitfall ein vor Behandlung ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder die ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung.

Hochbegabtes Kind: Ein Beispiel

Der 10-jährige Leon fällt in der Schule auf, nicht durch Regelverstöße, sondern durch seine Absonderung von der Klasse. Häufig sitzt er teilnahmslos an seinem Platz, hat wenig Kontakt zu anderen Kindern und vermittelt insgesamt einen unglücklichen Eindruck. Seine Lehrerin macht sich Sorgen und sucht das Gespräch mit den Eltern. Nach der Sprechstunde in der Schule suchen Leons Eltern einen Psychologen auf, der bei dem Jungen eine Hochbegabung feststellt – also einen IQ von über 130.

Der Psychologe erstellt ein Gutachten, in dem er adäquate Möglichkeiten einer Unterstützung von Leon empfiehlt und die Problematik deutlich anspricht: Leon ist als hochbegabtes Kind eingestuft worden, aber als sogenannter "Minderleister". Das heißt, er langweilt sich im Unterricht, kann sich schlecht motivieren und zweifelt demzufolge an seiner eigenen Leistungsfähigkeit. Diese Einschätzung bestätigt auch eine Heilpraktikerin, die Leon während des Unterrichts beobachtet hat. Auch sie schreibt einen Bericht.

Leon besucht von nun an eine Kinderpsychologin, um sich die für ihn passenden Lernmethoden anzueignen. Schnell stellen sich erste Erfolge ein und der Junge blüht zusehends auf. Daher ist es selbstverständlich, dass er die Therapie fortsetzt, als seine Psychologin in die Schweiz zieht – auch wenn sich dadurch die Therapiekosten enorm erhöhen. Ein amtsärztliches Gutachten holen die Eltern dafür nicht ein, zumal die Hochbegabung ihres Kindes derzeit nicht als Krankheit oder seelische Behinderung durch die Krankenkasse oder Beihilfestelle eingestuft wird.

Der konkrete Fall eines hochbegabten Kindes

Amtsärztliche Gutachten

Der amtsärztliche Dienst führt Begutachtungen von Einzelpersonen im Auftrag nach gesetzlichen Vorschriften durch. Auftraggeber/innen sind beispielsweise Behörden, Gerichte, öffentlich rechtliche Institutionen und vergleichbare Einrichtungen. Privatpersonen können den amtsärztlichen Dienst nur in Ausnahmefällen direkt beauftragen, beispielsweise zur Begutachtung der Prüfungsfähigkeit (für den Fall, dass in einer Prüfungsordnung ein amtsärztliches Zeugnis im Krankheitsfall rechtlich vorgeschrieben ist) oder zur Begutachtung der Fahreignung. 


So ähnlich erging es einem Elternpaar aus Rheinland-Pfalz, deren Geschichte die Grundlage unseres Beispiels ist: Sie haben ein hochbegabtes Kind, das eine Lerntherapie in Zürich machte. Für das Steuerjahr 2010 wollten sie die Therapiekosten in Höhe von 6.758 Euro als außergewöhnliche Belastungen absetzen. Das Finanzamt lehnt diese Forderung ab und auch ein Einspruch bleibt erfolglos.

Zur Begründung führt das Finanzamt aus, dass derartige Aufwendungen nur abziehbar seien, soweit es sich um unmittelbare Krankheitskosten handele. Zudem verlange die Rechtsprechung grundsätzlich ein vorher ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten, aus dem sich die medizinische Notwendigkeit der betreffenden Maßnahme klar ergebe. Dieses lag nicht vor.

Finanzgericht bestätigt die Absetzbarkeit von krankheitsvorbeugenden Maßnahmen

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz war anderer Auffassung. Krankheitskosten seien zwangsläufige Kosten, das heißt, Kosten denen sich der/die Steuerpflichtige nicht entziehen könne. Daher dürfte er bzw. sie diese steuerlich geltend machen. Als Folge des Steuervereinfachungsgesetzes von 2011 genüge hierfür ein einfacher formalisierter Nachweis durch eine/n Facharzt/Fachärztin, um die medizinische Indikation einer Maßnahme zu begründen. Das Finanzgericht betont sogar, dass im Fall "hochbegabtes Kind" die Psychologen und Heilpraktiker/innen speziellere Fachkenntnisse hätten als der/die Amtsarzt/Amtsärztin und somit ihre Expertise als ausreichend angesehen wird. Eine amts- oder vertrauensärztliche Begutachtung sei daher nicht notwendig (Aktenzeichen 1 K 2747/12).

Fazit: Kosten von der Steuer absetzen

Das bedeutet für unser Beispiel: Leons Eltern dürften die gesamten Therapiekosten als außergewöhnliche Belastungen von der Steuer absetzen. Denn nach Auffassung des Gerichts ergibt sich aus den vorliegenden Gutachten, dass Leons Therapiebehandlungen bei der Kinderpsychologin notwendig sind, um die Gefahr einer seelischen Behinderung zu vermeiden. Es handelt sich in diesem besonderen Fall um Kosten für die Verhinderung einer Krankheit. Doch leider zu früh gefreut...

BFH revidiert Urteil aus Rheinland-Pfalz

Der Fall wanderte vor den BFH als höchste Instanz – und die Richter/innen aus München revidierten am 19. November 2015 das Urteil der Kolleginnen und Kollegen aus Rheinland-Pfalz (Aktenzeichen VI R 45/14). Wie oben schon erwähnt, stellt in den Augen der Richter/innen des BFH eine Hochbegabung keine Krankheit dar. Laut Heilpraktikerin weise die Verweigerungshaltung des Jungen lediglich auf eine chronische Unterforderung hin. Dazu die Richter/innen: „Eine chronische Unterforderung ist indes ebenfalls keine Krankheit.“ Somit sei ein Abzug der Kosten als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen. Hinzu komme, dass das Gutachten der Diplom-Psychologin sowie der Bericht der Heilpraktikerin weder ein amtsärztliches Gutachten oder die ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ersetzen könne.

Mit anderen teilen

Dies ist ein redaktioneller Text des Redaktionsteams der VLH. Es erfolgt keine Beratung zu Themen, die außerhalb der steuerlichen Beratungsbefugnis eines Lohnsteuerhilfevereins liegen. Eine Beratungsleistung im konkreten Einzelfall kann nur im Rahmen der Begründung einer Mitgliedschaft und ausschließlich innerhalb der Beratungsbefugnis nach § 4 Nr. 11 StBerG erfolgen.

Das sagen unsere Mitglieder

★★★★★
★★★★★
4,5 von 5 Sternen
(44.165 Bewertungen)
Die Meinung unserer Mitglieder ist uns wichtig. Daher führen wir regelmäßig Zufriedenheitsumfragen durch. Weitere Informationen