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Was macht eigentlich ein Finanzgericht?

Welches Finanzgericht ist für mich zuständig? Wann brauche ich es? Was passiert, wenn ich mit dem Urteil nicht einverstanden bin? Wir sagen es Ihnen.

Beweise liefern, Gutachten bezahlen, Akten wälzen und jahrelang Papierkrieg führen: Vor Gericht klagen ist für die meisten eine absolute Horrorvorstellung. Und ja, auch ein Verfahren vor dem Finanzgericht kann lange dauern. Trotzdem sind gerade Finanzgerichte eine verbraucherfreundliche Einrichtung. Hier können Sie sich als Steuerzahler/in gegen die Finanzverwaltung wehren, wenn Sie sich ungerecht behandelt fühlen.

Welche Aufgaben hat ein Finanzgericht?

Nehmen wir einmal Folgendes an: Sie haben Ihre Steuererklärung abgegeben, erhalten nach einigen Wochen Ihren Steuerbescheid vom Finanzamt und Sie sind mit dem Ergebnis gar nicht zufrieden. Jetzt haben Sie zwei Möglichkeiten: Entweder Sie nehmen das ganz einfach hin, oder aber Sie legen Einspruch gegen den Steuerbescheid ein. Dafür haben Sie einen Monat Zeit. Wie das genau funktioniert und was danach zunächst passiert, erfahren Sie in unserem Artikel Falscher Steuerbescheid, was nun?

Ist die endgültige Einspruchsentscheidung des Finanzamts für Sie nicht akzeptabel, können Sie sich an Ihr zuständiges Finanzgericht wenden. Denn als obere Gerichte des Landes entscheiden Finanzgerichte in erster Instanz über alle Klagen gegen Finanzbehörden in Steuer- und Zollsachen sowie in Kindergeldstreitigkeiten.

Grundsätzlich gilt: Nur wer Einspruch gegen seinen Steuerbescheid eingelegt hat und dabei entweder ganz oder zu einem Teil erfolglos geblieben ist, kann vor dem Finanzgericht klagen.

Wie viele Finanzgerichte gibt es in Deutschland und welches davon ist für mich zuständig?

In jedem Bundesland gibt es mindestens ein Finanzgericht, kurz FG. Für Ihre Klage ist immer das Finanzgericht zuständig, das in Ihrem Bundesland sitzt. Leben Sie beispielsweise in Baden-Württemberg, klagen Sie vor dem Finanzgericht Stuttgart.

Übrigens:

Welches Gericht für Sie zuständig ist, steht auch auf der Einspruchsentscheidung, die Sie von Ihrem Finanzamt bekommen haben. Das Stichwort lautet Rechtsbehelfsbelehrung.

Die insgesamt 18 Finanzgerichte in Deutschland beschäftigen derzeit etwa 600 Berufsrichterinnen und –richter:

  • Das Finanzgericht Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart und einem Außensenat in Freiburg
  • Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg mit Sitz in Cottbus
  • Das Finanzgericht Bremen
  • Das Finanzgericht Düsseldorf
  • Das Finanzgericht Hamburg
  • Das Hessisches Finanzgericht mit Sitz in Kassel
  • Das Finanzgericht Köln
  • Das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern mit Sitz in Greifswald
  • Das Finanzgericht München mit Außensenaten in Augsburg
  • Das Finanzgericht Münster
  • Das Niedersächsische Finanzgericht mit Sitz in Hannover
  • Das Finanzgericht Nürnberg
  • Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz mit Sitz in Neustadt a. d. Weinstraße
  • Das Finanzgericht des Saarlandes mit Sitz in Saarbrücken
  • Das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt mit Sitz in Dessau
  • Das Sächsische Finanzgericht mit Sitz in Leipzig
  • Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht mit Sitz in Kiel
  • Das Thüringer Finanzgericht mit Sitz in Gotha

Wie reicht man Klage vor einem Finanzgericht ein?

Dazu müssen Sie Folgendes tun: Sie stellen einen Klageantrag, der innerhalb von vier Wochen eingereicht werden muss. Klingt einfach, ist für den Laien und die Laiin aber eine echte Herausforderung. Denn bei der sogenannten Klageschrift gelten strenge Formvorschriften. Darin enthalten sein müssen ganz bestimmte Informationen, nämlich:

  • Wer am Prozess teilnimmt: Das sind in der Regel Sie als Kläger/in und das für Sie zuständige Finanzamt als Beklagter.
  • Den Gegenstand Ihrer Klage: Worüber gestritten wird.
  • Die genaue Bezeichnung des angefochtenen Steuerbescheids und der Einspruchsentscheidung: Einkommensteuerbescheid 20XX und Einspruchsentscheidung vom XX.XX.20XX.
  • Den Klageantrag – also über was das Finanzgericht entscheiden soll – sowie die zur Klagebegründung dienenden Tatsachen und Beweismittel: Entweder Klage ohne Begründung (zur Fristwahrung mit evtl. Steuerbescheid und Einspruchsentscheidung) oder Klage mit Begründung (alle Unterlagen!).

Sie können Ihre Klage mit der Post an Ihr Finanzamt schicken, faxen oder auch persönlich abgeben. Ebenso können Sie Ihre Klage aber auch zur Niederschrift beim zuständigen Finanzgericht erheben, das bedeutet, dass Sie vor Ort Ihren Sachverhalt mündlich vortragen. Eine Klage per Telefon ist nicht möglich.

Wichtig: Vergessen Sie nicht, die Klage zu unterschreiben.

Übrigens:

Ein Finanzgerichtsprozess ist vor allem Formsache. Das bedeutet, dass schon kleinste Fehler für Sie das Aus bedeuten können. Dann wird das Verfahren mitunter eingestellt und in der Sache selbst gar nicht mehr entschieden, obwohl Sie vielleicht im Recht sind.

Welche Fristen muss ich für meine Klage einhalten?

Die Klage muss spätestens einen Monat nach der Einspruchsentscheidung im Behördenbriefkasten sein. Diese Einspruchsentscheidung gilt am dritten Tag nach dem Absendedatum bei der Behörde (Datum steht auf dem Schreiben) als bekannt gegeben. 

Was passiert, wenn ich zu spät dran bin und die Klagefrist verpasst habe?

Grundsätzlich gilt: Ist die Klagefrist vorbei, gibt es nichts mehr zu holen. Unter bestimmten Umständen können Sie allerdings einen Antrag auf "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" stellen – und doch noch klagen. In diesem Antrag müssen Sie das Finanzgericht davon überzeugen, dass Sie aus triftigen Gründen daran gehindert wurden, die Frist einzuhalten. Keine Entschuldigungsgründe sind Arbeitsüberlastung, Sprachprobleme, Rechtsirrtümer oder Krankheit. Letzteres gilt nur in Ausnahmen, wenn Sie ganz plötzlich krank werden (zum Beispiel durch einen Unfall).

Wichtig: Den Antrag auf Wiedereinsetzung müssen Sie innerhalb von 14 Tagen nach "Wegfall des Hindernisses" stellen. Außerdem müssen Sie innerhalb dieser vierzehn Tage die Klageschrift nachreichen.

Wie läuft so eine Klage vorm Finanzgericht ab?

Wer was wann wie machen muss in einem Verfahren vor dem Finanzgericht, das ist in der Finanzgerichtsordnung (FGO) geregelt. Darin steht zum Beispiel, wie die Finanzgerichte zusammengesetzt sind, welche Fristen gelten oder auch, dass das Finanzgericht bestimmte Zeugen vernehmen oder ein Gutachten einholen kann.

Das Urteil eines Finanzgerichts wird durch die verschiedenen Senate gefällt, die für bestimmte Klagen zuständig sind. Welcher Senat für welche Themen beziehungsweise Klagen zuständig ist, ist im sogenannten Geschäftsverteilungsplan geregelt.

Zur Info:

Ein Finanzgericht besteht aus der vorsitzenden Richterin oder dem vorsitzenden Richter, zwei weiteren Berufsrichter/innen und zwei Schöff/innen (also ehrenamtlichen Richter/innen). Eine oder einer der Berufsrichter/innen kümmert sich um die jeweilige Klage und bereitet sie als sogenannte/r Berichterstatter/in für alle vor.


Sind alle Fakten vorgebracht, besprechen die Senatsmitglieder ihre richterliche Entscheidung. In dieser mündlichen Verhandlung sind auch die Schöffen und Schöffinnen, also die ehrenamtlichen Richter/innen, einbezogen.

Die ehrenamtlichen Richter/innen sollen sicherstellen, dass auch allgemeine, also nichtjuristische Überlegungen, in ein Urteil einfließen. Was die Urteilsfindung betrifft, haben sie volles Stimmrecht, üben ansonsten aber kein Amt aus. Gewählt werden die Ehrenamtlichen auf Vorschlag von Berufsverbänden, Parteien und anderen Organisationen, und zwar für vier Jahre.

Wie lange dauert so ein Klageverfahren?

Entscheidet der komplette Senat, dauert ein Verfahren im Durchschnitt etwa 15 Monate. Wenn die Beteiligten – also Sie als Kläger/in und zum Beispiel Ihr zuständiges Finanzamt als Beklagter – damit einverstanden sind, kann in einfachen Fällen ein Rechtsstreit auch von einem oder einer (Berufs-)Richter/in entschieden werden. Tendenziell kommt das Urteil dadurch schneller zustande.

Wie viel kostet mich eine Klage vor dem Finanzgericht?

Früher konnte man noch kostenlos klagen. Seit dem 1. Juli 2004 hat sich das geändert: Seither gilt das neue Gerichtskostengesetz – und es werden Gebühren fällig. Bevor es überhaupt losgeht, müssen Sie beim zuständigen Finanzgericht mindestens 312 Euro bezahlen. 

Wichtig: Das Gerichtskostengesetz schreibt für Verfahren vor dem Finanzgericht einen Mindeststreitwert von 1.500 Euro vor. Das bedeutet, dass auch in einem Verfahren, in dem es um nur 200 Euro geht, die Gerichtsgebühr 312 Euro beträgt. Noch mehr wird fällig, wenn Sie um einen Betrag streiten, der zwischen 1.500 und 3.000 Euro liegt – und so weiter.

Gewinnen Sie das Verfahren, dann bekommen Sie die Gebühr wieder zurück. Verlieren Sie den Prozess, ist die Gebühr futsch und Sie müssen die gesamten Prozesskosten tragen. Deshalb sollten Sie immer überlegen, bevor Sie klagen, ob es die Sache wert ist. Und wie gut Ihre Aussichten auf Erfolg sind. Geht es bei Ihnen beispielsweise um 50 Euro und die Aussichten auf Erfolg sind bescheiden, lohnt sich eine Klage eher nicht.

Welche Steuerangelegenheiten werden nicht von einem Finanzgericht entschieden?

Sogenannte öffentlich-rechtliche Streitigkeiten werden nicht vor einem Finanzgericht behandelt. Dazu gehören Streitigkeiten über Gemeindesteuern wie Hundesteuer, Vergnügungssteuer oder auch Gewerbesteuer. Auch bei Streitigkeiten zur Kirchensteuer sind nicht die Finanzgerichte, sondern sogenannte Verwaltungsgerichte zuständig.

Ebenso gehören Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten nicht zu den Aufgaben von Finanzgerichten. Dafür sind die Strafgerichte zuständig, zum Beispiel das Amts- oder Landgericht. Die wahrscheinlich bekannteste Steuerstraftat ist die klassische Steuerhinterziehung.

Was, wenn ich mit einem Urteil des Finanzgerichts nicht einverstanden bin?

Anders als bei anderen Gerichten gibt es bei Rechtsstreitigkeiten mit einem Finanzgericht nur zwei und nicht drei Instanzen. Wer also mit dem Urteil eines Finanzgerichts nicht einverstanden ist, hat nur noch eine Möglichkeit: Er oder sie legt Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) ein. Der BFH ist das oberste Gericht für Steuer- und Zollsachen. Wie die höchste Instanz der Finanzgerichtsbarkeit funktioniert, zeigt unser Artikel Was macht der Bundesfinanzhof?.

Dieses "Revision einlegen" kann aber auch schiefgehen. Denn die erste Instanz – also das Finanzgericht – muss eine Revision zulassen. Wenn nicht, gibt es noch die Nichtzulassungsbeschwerde.

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Dies ist ein redaktioneller Text des Redaktionsteams der VLH. Es erfolgt keine Beratung zu Themen, die außerhalb der steuerlichen Beratungsbefugnis eines Lohnsteuerhilfevereins liegen. Eine Beratungsleistung im konkreten Einzelfall kann nur im Rahmen der Begründung einer Mitgliedschaft und ausschließlich innerhalb der Beratungsbefugnis nach § 4 Nr. 11 StBerG erfolgen.

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