Erste Tätigkeitsstätte: Definition, Festlegung und Folgen
02.07.2025Inhalt

Erste Tätigkeitsstätte? Ein typischen Begriff aus dem Steuerrecht, den niemand so im Alltag anwenden würde, aber manchmal braucht es neue Worte, um eine Sache noch präziser benennen zu können – ohne es umständlich umschreiben zu müssen.
Laut gesetzlicher Definition ist die sogenannte erste Tätigkeitsstätte eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin, eines verbundenen Unternehmens oder eines "vom Arbeitgeber bestimmten Dritten". Dieser Tätigkeitsstätte muss der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin dauerhaft zugeordnet sein – also unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von mindestens 48 Monaten.
Klingt kompliziert, daher versuchen wir das im Folgenden an ein paar Beispielen zu erklären.
ÜBRIGENS:
Umgangssprachlich ist manchmal auch von der ersten Arbeitsstätte die Rede, doch so heißt die erste Tätigkeitsstätte schon seit 2014 nicht mehr. Mehr dazu in unserem Artikel zum Thema Reisekostenrecht.
1. Täglich dieselbe Tätigkeitsstätte
Sie arbeiten immer im selben Büro oder in derselben Werkstatt Ihres Arbeitgebers bzw. Ihrer Arbeitgeberin? Dann ist die Sache einfach: Sie pendeln an jedem Arbeitstag von Ihrer Wohnung zur gleichen ersten Tätigkeitsstätte und können die Fahrten dorthin immer mit der Pendlerpauschale absetzen – und zwar unabhängig davon, welches Verkehrsmittel Sie benutzen. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Artikel: Die Pendlerpauschale für Einsteiger.
ÜBRIGENS:
Auch eine auswärtige Baustelle kann als erste Tätigkeitsstätte gelten. Nämlich dann, wenn Sie als Bauhandwerker/in dieser dauerhaft zugeteilt sind und es sich um eine Langzeitbaustelle mit einer Dauer von mehr als 48 Monaten handelt.
2. Der Arbeitgeber legt die erste Tätigkeitsstätte fest
Nicht wenige Arbeitnehmer/innen haben aber innerhalb ihres Dienstverhältnisses wechselnde Tätigkeitsstätten, und das während einer Arbeitswoche. Beispiel: Sara arbeitet einige Tage in der Zentrale Ihres Arbeitgebers in Mannheim und an den anderen Tagen in einer Zweigstelle beziehungsweise Filiale in Heidelberg. Jetzt kann ihr Arbeitgeber festlegen, bei welchem Arbeitsplatz es sich um ihre erste Tätigkeitsstätte handelt. Die Entscheidung ist komplett frei, er muss sich nicht daran orientieren, wo Sara häufiger arbeiten. Das heißt: Arbeiten sie drei Tage in der Woche in einer Filiale in Heidelberg und zwei Tage in Mannheimer Zentrale, kann Ihr Chef dennoch die Zentrale als erste Tätigkeitsstätte festlegen.
Eine zeitliche Zuordnung kommt erst zum Tragen, wenn der Arbeitgeber für Sara keine erste Tätigkeitsstätte bestimmt. Verpflichtet ist er dazu nämlich nicht. Dann wird automatisch diejenige Arbeitsstelle zu ihrer ersten Tätigkeitsstätte, an der sie die meiste Arbeitszeit verbringen. Lässt sich das nicht eindeutig abgrenzen – also, wenn Sara beispielsweise an zwei oder drei Arbeitsstätten jeweils genau gleich viel Zeit verbringen –, dann gilt Folgendes: Ihre erste Tätigkeitsstätte ist diejenige, die sich am nächsten zu ihrer Wohnung befindet.
Warum der Unterschied wichtig ist
Allgemein gilt: Für die Fahrten zwischen Ihrer Wohnung und Ihrer ersten Tätigkeitsstätte dürfen Sie nur die Pendlerpauschale bzw. Entfernungspauschale nutzen. Das ist die einfache Fahrt. Fahren Sie von dort aus zu einer weiteren Tätigkeitsstätte, gilt diese weitere Fahrt als sogenannte Auswärtstätigkeit (Dienstreise). Der Vorteil: Bei Auswärtstätigkeiten lassen sich die Fahrten beziehungsweise die Reisekosten komplett von der Steuer absetzen – also die Hin- und Rückfahrt und nicht nur der einfache Weg, wie beim Pendeln. Der Unterschied ist daher bares Geld wert.
Mehr dazu erfahren Sie hier: So setzen Sie Dienstreisekosten von der Steuer ab.
3. Sammelpunkt als erste Tätigkeitsstätte
Dann gibt es auch noch diesen Sonderfall: Sie haben gar keine erste Tätigkeitsstätte. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Sie in Bussen, Zügen, Flugzeugen oder auf Schiffen arbeiten. Von einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung, wie es in der Definition der ersten Tätigkeitsstätte heißt, kann da natürlich keine Rede sein.
Das heißt aber nicht, dass Sie automatisch einer Auswärtstätigkeit ohne erste Tätigkeitsstätte nachgehen. Denn: Es kann einen sogenannten Sammelpunkt für Ihre Arbeit geben – etwa einen Bahnhof, ein Busdepot, einen Flughafen oder einen Hafen. Dieser Sammelpunkt wird dann für Sie als Busfahrer/in, Pilot/in oder Flugbegleiter/in als erste Tätigkeitsstätte angesehen. Zumindest dann, wenn sie täglich am gleichen Ort ihre Arbeit aufnehmen. Sie können die Fahrtkosten dorthin lediglich mit der Entfernungspauschale absetzen.
Ein Beispiel: Ein Feuerwehrmann aus Rheinland-Pfalz wollte seine Fahrten zur Feuerwache als Dienstreisen absetzen und nicht nur mit der Entfernungspauschale abrechnen. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hatte ihm zunächst Recht gegeben und entschieden, dass er keine erste Tätigkeitsstätte habe.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dieses Urteil jedoch mit Entscheidung vom 26.10.2022 (VI R 48/20) aufgehoben. Er stellte klar: Auch Bereitschaftszeiten an einer Wache zählen als Tätigkeit im steuerlichen Sinne. Ob eine Feuerwache die erste Tätigkeitsstätte darstellt, hängt von den Gesamtumständen und insbesondere einer dauerhaften arbeits- oder dienstrechtlichen Zuordnung ab.
Damit ist die Frage abschließend geklärt: Eine pauschale Aussage „Feuerwehrleute haben keine erste Tätigkeitsstätte“ ist nicht zulässig. Ob im Einzelfall eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt, muss individuell geprüft werden.
4. Weiträumiges Tätigkeitsgebiet statt erster Tätigkeitsstätte
Haben Sie keine erste Tätigkeitsstätte und auch keinen Sammelpunkt kann auch ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet vorliegen, beispielsweise ein Hafengebiet, Flughafengelände oder Forstgebiet. In diesen Fällen sind Fahrten von der Wohnung zum nächstgelegenen Zugang des Gebiets nur mit der Entfernungspauschale abziehbar. Erst die weiteren Fahrten lassen sich komplett in die Steuererklärung eintragen. Das betrifft beispielsweise Paketzusteller/innen, Flughafen- oder Forstmitarbeitende.
ÜBRIGENS:
Wer sein heimisches Arbeitszimmer in der Steuererklärung als erste Tätigkeitsstätte angeben will, um alle Fahrten zum Arbeitgeber als Dienstreisen abzusetzen, geht leer aus. Auch wenn Sie dort den Großteil Ihrer Arbeit erledigen: Ein Arbeitszimmer zu Hause ist keine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers – und kann deshalb steuerlich nie als erste Tätigkeitsstätte gelten.
5. Mehr als eine erste Tätigkeitsstätte
Bleibt noch die Frage zu klären, wie das Ganze aussieht, wenn Sie für mehrere Arbeitgeber/innen tätig sind.
Beispiel 1:
Tanja fährt morgens 20 Kilometer, um bei einem Handelsunternehmen im Büro zu arbeiten. Ihr Dienst beginnt um 8 Uhr und endet um 12 Uhr. Anschließend fährt sie die 20 Kilometer wieder nach Hause, um zu Mittag zu essen und etwas zu entspannen. Gegen 13.30 Uhr macht sie sich dann auf den Weg zu einem Restaurant, wo ihre Schicht um 14 Uhr beginnt. Wohlgemerkt: Der Arbeitgeber ist ein anderer als morgens. Dafür fährt sie 10 Kilometer hin und nach Dienstende um 18 Uhr wieder 10 Kilometer zurück. Für beide Arbeitsstellen darf sie die Entfernungspauschale nutzen, jeweils den einfachen Weg – also 20 Kilometer und 10 Kilometer.
Fazit: Für die jeweiligen Arbeitstage darf Tanja 30 Kilometer in ihre Steuererklärung eintragen. Denn sie hat zwei Dienstverhältnisse und damit auch zwei erste Tätigkeitsstätten. Daher kann sie jeweils die einfache Strecke (Pendlerpauschale) angeben.
Beispiel 2:
Tanja fährt morgens wie gehabt 20 Kilometer, um bei einem Handelsunternehmen im Büro zu arbeiten. Ihr Dienst endet um 12 Uhr. Da ihre Schicht in dem Restaurant aber schon um 12.30 beginnt, fährt sie direkt von ihrer ersten Arbeitsstätte zur zweiten. Dafür legt sie 10 Kilometer zurück. Und nach der Schicht fährt sie 10 Kilometer nach Hause. In dem Fall darf sie nicht alle Fahrten als Werbungskosten steuerlich geltend machen. Vielmehr gilt dann die Fahrt zur ersten Arbeitsstelle als Umweg auf dem Weg zur zweiten. Das Finanzamt rechnet in diesem Fall so: Für den einfachen Weg, also die Hinfahrt, hat sie 30 Kilometer (20 + 10) zurückgelegt – und davon darf sie die Hälfte steuerlich geltend machen, also 15 Kilometer.
Fazit: Für die jeweiligen Arbeitstage darf Tanja nur 15 Kilometer in ihre Steuererklärung eintragen, obwohl sie zwei verschiedene Arbeitgeber/innen am Tag aufsucht