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Erste Tätigkeitsstätte: Definition, Festlegung und Folgen

Nicht jede/r von uns arbeitet Tag für Tag am gleichen Ort. Dennoch haben die meisten eine sogenannte erste Tätigkeitsstätte. Hat man keine, kann das steuerlich von Vorteil sein.

Erste Tätigkeitsstätte: Definition, Festlegung und Folgen

Zunächst die begriffliche Beschreibung: Laut gesetzlicher Definition ist die sogenannte erste Tätigkeitsstätte eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin, eines verbundenen Unternehmens oder eines "vom Arbeitgeber bestimmten Dritten". Dieser Tätigkeitsstätte muss der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin dauerhaft zugeordnet sein – also unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von mindestens 48 Monaten.

Umgangssprachlich ist manchmal auch von der ersten Arbeitsstätte die Rede, doch so heißt die erste Tätigkeitsstätte schon seit 2014 nicht mehr. Mehr dazu in unserem Artikel zum Thema Reisekostenrecht.

Der klassische Fall einer ersten Tätigkeitsstätte

Sie arbeiten immer im selben Büro oder in derselben Werkstatt Ihres Arbeitgebers bzw. Ihrer Arbeitgeberin? Dann ist die Sache einfach: Sie pendeln an jedem Arbeitstag von Ihrer Wohnung zur gleichen ersten Tätigkeitsstätte und können die Fahrten dortin immer mit der Pendlerpauschale absetzen – und zwar unabhängig davon, welches Verkehrsmittel Sie benutzen. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Artikel Die Pendlerpauschale für Einsteiger.

Wenn der Arbeitgeber die erste Tätigkeitsstätte festlegt

Nicht wenige Arbeitnehmer/innen haben aber innerhalb ihres Dienstverhältnisses wechselnde Tätigkeitsstätten, und das während einer Arbeitswoche. Beispiel: Sie arbeiten einige Tage in der Zentrale Ihres Arbeitgebers bzw. Ihrer Arbeitgeberin und an den anderen Tagen in einer Zweigstelle oder Filiale. Dann kann Ihr/e Arbeitgeber/in festlegen, bei welchem Arbeitsplatz es sich um Ihre erste Tätigkeitsstätte handelt. Die Entscheidung ist komplett frei, er bzw. sie muss sich nicht daran orientieren, wo Sie häufiger arbeiten. Beispiel: Sie arbeiten drei Tage in der Woche in einer Filiale und zwei Tage in der Zentrale – dennoch kann Ihr/e Chef/in die Zentrale als erste Tätigkeitsstätte festlegen.

Eine zeitliche Zuordnung kommt erst zum Tragen, wenn der/die Arbeitgeber/in für Sie keine erste Tätigkeitsstätte bestimmt. Verpflichtet ist er bzw. sie dazu nämlich nicht. Dann wird diejenige Arbeitsstelle zu Ihrer ersten Tätigkeitsstätte, an der Sie die meiste Arbeitszeit verbringen. Lässt sich das nicht eindeutig abgrenzen – also, wenn Sie beispielsweise an zwei oder drei Arbeitsstätten jeweils genau gleich viel Zeit verbringen –, dann gilt Folgendes: Ihre erste Tätigkeitsstätte ist diejenige, die sich am nächsten zu Ihrer Wohnung befindet.

Normaler Arbeitsweg oder Auswärtstätigkeit

Allgemein gilt: Für die Fahrten zwischen Ihrer Wohnung und Ihrer ersten Tätigkeitsstätte dürfen Sie nur die Pendlerpauschale bzw. Entfernungspauschale nutzen. Fahren Sie von dort aus zu einer weiteren Tätigkeitsstätte, gilt diese weitere Fahrt als Auswärtstätigkeit. Der Vorteil: Dadurch lassen sich die Fahrten beziehungsweise die Reisekosten komplett von der Steuer absetzen – also die Hin- und Rückfahrt und nicht nur der einfache Weg, wie beim Pendeln. Mehr dazu erfahren Sie hier: So setzen Sie Dienstreisekosten von der Steuer ab.

Übrigens:

Auch eine auswärtige Baustelle kann als erste Tätigkeitsstätte gelten. Nämlich dann, wenn Sie als Bauhandwerker/in dieser dauerhaft zugeteilt sind und es sich um eine Langzeitbaustelle mit einer Dauer von mindestens 48 Monaten handelt.

Sammelpunkt als erste Tätigkeitsstätte

Dann gibt es auch noch den Sonderfall: Sie haben gar keine erste Tätigkeitsstätte. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Sie in Bussen, Zügen, Flugzeugen oder auf Schiffen arbeiten. Von einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung, wie es in der Definition der ersten Tätigkeitsstätte heißt, kann da natürlich keine Rede sein.

Das heißt aber nicht, dass Sie automatisch einer Auswärtstätigkeit ohne erste Tätigkeitsstätte nachgehen. Denn: Der/Die Arbeitgeber/in kann einen sogenannten Sammelpunkt für Ihre Arbeit festlegen – etwa einen Bahnhof, ein Busdepot, einen Flughafen oder einen Hafen. Dieser Sammelpunkt wird dann für Sie als Busfahrer/in, Pilot/in oder Flugbegleiter/in als erste Tätigkeitsstätte angesehen, und Sie können die Fahrtkosten dorthin lediglich mit der Entfernungspauschale absetzen.

Weiträumiges Tätigkeitsgebiet statt erster Tätigkeitsstätte

Aus finanzieller Hinsicht wäre es für Sie jedoch besser, wenn Ihr/e Arbeitgeber/in in diesem Fall keine erste Tätigkeitsstätte festlegen würde. Dann könnten Sie jede Fahrt zum Bahnhof, Busdepot, Flughafen oder Hafen als Auswärtstätigkeit abrechnen. Das gilt auch für Außendienstmitarbeiter/innen beziehungsweise Vertriebsmitarbeiter/innen. Diese haben oft ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet und somit keine erste Tätigkeitsstätte.

Auch Paketzusteller haben meist ein sehr weiträumiges Tätigkeitsgebiet. Sie dürfen aber lediglich die Pendelstrecke von ihrem Zuhause zum Einsatzort, beispielsweise zum Postdepot, von der Steuer absetzen. Gleiches gilt für Handwerker/innen, zum Beispiel für Heizungsmonteure, deren Einsatzort ihr Betrieb ist, von wo aus sie zu Kunden fahren.

FG Rheinland-Pfalz: Feuerwehrmann hat keine erste Tätigkeitsstätte

Feuerwehrleute haben als erste Tätigkeitsstätte zwar häufig eine Einsatzstelle, von der aus sie zu den Einsätzen fahren. Allerdings ist das nicht immer so, wie ein Fall aus Rheinland-Pfalz zeigt. Dort klagte ein Feuerwehrmann vor dem Finanzgericht. Er ist bei einer Landesbehörde angestellt und leistet seinen Dienst je nach Anweisung an vier verschiedenen Einsatzstellen. Zwar war er im Streitjahr ausschließlich in einer Feuerwache eingesetzt, wollte die Fahrtkosten aber dennoch als Dienstreisen mit Hin- und Rückfahrt geltend machen und nicht nur einfach mit der Entfernungspauschale.

Das zuständige Finanzamt lehnte das ab. Es setzte lediglich die Entfernungspauschale an, da es sich um Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte handele, so die Begründung. Das Finanzgericht kippte diese Entscheidung jedoch. Zwar habe der Feuerwehrmann in dem betreffenden Jahr ausschließlich an einem Einsatzort gearbeitet, dennoch sei dieser nicht als erste Tätigkeitsstätte anzusehen, betonte das Gericht. Denn der Feuerwehrmann sei dieser Einsatzstelle nicht dauerhaft vertraglich zugeordnet gewesen und hätte jederzeit, also von einem Tag auf den anderen, zu einer der anderen Einsatzstellen abberufen werden können. Deshalb dürfe er die tatsächlichen Fahrtkosten in der Steuererklärung geltend machen.

Eine Revision ließ das Finanzgericht Rheinland-Pfalz nicht zu, da seiner Meinung nach die strittigen Rechtsfragen bereits durch frühere Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) geklärt sind. Gegen diese Nichtzulassung hat das betroffene Finanzamt allerdings Beschwerde beim BFH eingelegt. Die Sache könnte unter Umständen also noch in die Verlängerung gehen.

Übrigens:

Falls Sie auf die Idee kommen, Ihr heimisches Arbeitszimmer als erste Tätigkeitsstätte in der Steuererklärung einzutragen, um damit alle Fahrten zu den Betriebsstätten Ihres Arbeitgebers bzw. Ihrer Arbeitgeberin als Dienstreisen abrechnen zu können – keine Chance! Das heimische Arbeitszimmer kann niemals die erste Tätigkeitsstätte sein, egal wieviel Zeit Sie dort verbringen. Der Grund: Es ist keine betriebliche Arbeitsstätte.

Mehr als eine erste Tätigkeitsstätte

Bleibt noch die Frage zu klären, wie das Ganze aussieht, wenn Sie für mehrere Arbeitgeber/innen tätig sind.

Beispiel 1:

Tanja fährt morgens 20 Kilometer, um bei einem Handelsunternehmen im Büro zu arbeiten. Ihr Dienst beginnt um 8 Uhr und endet um 12 Uhr. Anschließend fährt sie die 20 Kilometer wieder nach Hause, um zu Mittag zu essen und etwas zu entspannen. Gegen 13.30 Uhr macht sie sich dann auf den Weg zu einem Restaurant, wo ihre Schicht um 14 Uhr beginnt. Wohlgemerkt: Der Arbeitgeber ist ein anderer als morgens. Dafür fährt sie 10 Kilometer hin und nach Dienstende um 18 Uhr wieder 10 Kilometer zurück. Für beide Arbeitsstellen darf sie die Entfernungspauschale nutzen, jeweils den einfachen Weg – also 20 Kilometer und 10 Kilometer.

Fazit: Für die jeweiligen Arbeitstage darf Tanja 30 Kilometer in ihre Steuererklärung eintragen.

Beispiel 2:

Tanja fährt morgens wie gehabt 20 Kilometer, um bei einem Handelsunternehmen im Büro zu arbeiten. Ihr Dienst endet um 12 Uhr. Da ihre Schicht in dem Restaurant aber schon um 12.30 beginnt, fährt sie direkt von ihrer ersten Arbeitsstätte zur zweiten. Dafür legt sie 10 Kilometer zurück. Und nach der Schicht fährt sie 10 Kilometer nach Hause. In dem Fall darf sie nicht alle Fahrten als Werbungskosten steuerlich geltend machen. Vielmehr gilt dann die Fahrt zur ersten Arbeitsstelle als Umweg auf dem Weg zur zweiten. Das Finanzamt rechnet in diesem Fall so: Für den einfachen Weg, also die Hinfahrt, hat sie 30 Kilometer (20 + 10) zurückgelegt – und davon darf sie die Hälfte steuerlich geltend machen, also 15 Kilometer.

Fazit: Für die jeweiligen Arbeitstage darf Tanja 15 Kilometer in ihre Steuererklärung eintragen.

Übrigens:

Sie sind unsicher, welche Fahrtkosten Sie in Ihrer Einkommensteuererklärung angeben können? Unsere Beraterinnen und Berater helfen Ihnen gerne weiter. Finden Sie eine Beratungsstelle in Ihrer Nähe: Beratersuche.

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Dies ist ein redaktioneller Text des Redaktionsteams der VLH. Es erfolgt keine Beratung zu Themen, die außerhalb der steuerlichen Beratungsbefugnis eines Lohnsteuerhilfevereins liegen. Eine Beratungsleistung im konkreten Einzelfall kann nur im Rahmen der Begründung einer Mitgliedschaft und ausschließlich innerhalb der Beratungsbefugnis nach § 4 Nr. 11 StBerG erfolgen.

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